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Die Pracht vergangener Zeiten: Maharadscha-Palast Mysore

Heike und Hubert Leiwes in Indien

Wir mögen das hässliche Entlein!

„Ugly Duck“ – der Spitzname für Robusta Kaffee ist wirklich nicht schmeichelhaft. Gegen das schlechte Image hilft nur Aufklärung, dachte sich Mrs. Menon, Expertin für indischen Kaffee, und lud zu einem Seminar in Berlin ein. Das schauen wir uns aus der Nähe an, dachten sich danach deutsche Kaffeeröster und organisierten eine Reise zu den Kaffeeplantagen Indiens.
 
Stimmt, eigentlich ist Indien berühmt für den Anbau von Tee, den die Engländer einst eingeführt hatten. Aber immerhin vier Prozent der Kaffee-Weltmarktproduktion stammen vom Subkontinent, im fruchtbaren Süden wird überwiegend die Gattung Robusta angebaut.

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Die Blüten der Kaffeepflanzen duften wie Jasmin
Schon seit Jahren halten wir in unserer Rösterei die Fahne für Robusta Kaffee hoch, um dem globalen Lobgesang auf Arabica etwas entgegen zu setzen. In unserem Gourmet-Blend verarbeiten wir seit Jahren Robusta – und das aus Überzeugung! Interessante erdig-würzige Geschmacksnuancen, eine beständige Crema - das spricht für Bohnen dieser Gattung. Weitere Argumente würde diese Reise liefern, deshalb mussten auch wir mit nach Indien.
 
Indien im Januar ist für Ostwestfalen ein Glücksfall: der Himmel so blau, die Bäume grün, es blüht überall. Dafür nehmen wir die Hitze des tropischen Klimas gern in Kauf.
 
Mysore ist unser Ausgangspunkt, gelegen am süd-westlichen Zipfel Indiens im Bundesstaat Karnataka. Berühmt ist die kleine Stadt eigentlich für seinen Maharadscha-Palast, ein Bauwerk wie aus Tausend-und-einer Nacht. Offiziell gibt es schon seit 40 Jahren keine Maharadschas mehr in der größten Demokratie der Welt, doch auch heute noch zeugen Palast und Gärten vom sagenhaften Reichtum der einstigen Herrscher.
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Auf diesen Pfaden durch die Plantage sind auch Elefanten unterwegs!


Aber unser Interesse gilt ja dem Kaffee, also machen wir uns in Begleitung unseres Gastgebers auf den langen Weg zu seiner Plantage. Wellig ist die Landschaft hier, in der auf 40 Hektar die Kaffeepflanzen wachsen.
Mayur Ganeshs Arbeitsplatz gleicht einem grünen Paradies: Die dunkelgrün belaubten Kaffeepflanzen gedeihen prächtig: In kugeligen Trauben hängen die Kaffeekirschen an den Sträuchern; tiefdunkelrot und reif für die letzten Erntetage im Februar. Darüber ragen zahlreiche schlanke Bäumen meterhoch in den Himmel, denn indischer Kaffee wird traditionell im Schatten kultiviert. An ihnen finden Pfefferpflanzen Halt, die für zusätzlichen Ertrag sorgen. Auch Jackfruits, Feigen, Mangos und Litschis gehören zur fruchtbaren Pflanzengemeinschaft –alles Lieferanten für die zusätzliche Aromen.
 
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Unser Gastgeber Mayur Ganesh (links) mit seinen Eltern


Kaffeefarmer Mayur baut fast ausschließlich die Gattung Robusta an, weil die mit dem Klimawandel besser zurecht kommt als ihre anspruchsvolle Verwandte Arabica. Der Monsun-Regen, der sich ab Juni von Südindien aus über den ganzen Kontinent ausbreitet, fällt inzwischen kürzer und heftiger aus. Der Kaffeebauer fängt die Niederschläge deswegen in neu gegrabene Becken auf und nutzt sie später zur Bewässerung. Für die Zukunft seiner Plantage setzt er auf Robusta, auch weil der resistenter gegen Schädlinge ist, die vom Klimawandel profitieren. Der „Weiße-Stamm-Bohrer“ frisst sich beispielsweise durch die Transportbahnen der Pflanzen und lässt sie absterben. Um dem Markt interessante Geschmackvarianten seines Robustas anbieten zu können, experimentiert er mit Fermentation, der Lagerung der Kirschen in Wasser.
 
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Frauen sind die besten Pflückerinnen, immer mit blauem Kopftuch


Natürlich sind wir auch an der Situation der Arbeiter interessiert. Wir treffen Pflückerinnen, die an den Hängen geschickt und flink die Kirschen in umgebundene Taschen sammeln. Arbeiter bedienen die Entpulpungsmaschine, die das Fruchtfleisch von den Kirschen löst. Die Arbeiter auf der Plantage zählen zu den 60 Prozent der 1,4 Milliarden Inder, die in der Landwirtschaft beschäftigt sind, und den ärmsten Teil der Bevölkerung bilden. Mit ihrem acht-Stunden-Tag verdienen die Menschen 4,50 € Mindestlohn, das durchschnittliche Monatseinkommen liegt in Indien bei 157 €. Die festangestellten Arbeiter leben mit ihren Familien in Häusern auf der Farm, zur Erntezeit werden zusätzlich Wanderarbeiter angeworben.
 
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An der Entpulpungsmaschine wird das Fruchtfleisch entfernt


In der dichten Bepflanzung sind aber nicht nur Zweibeiner unterwegs. Mayur berichtet von Elefanten, die seine Plantage gewohnheitsmäßig besuchen. Lange hatte er Probleme mit zertrampelten Pflanzen, aber seitdem er für die Dickhäuter Wassertonnen bereitstellt, bleiben sie auf den Wegen. Ein praktischer Deal!
Familie Ganesh verwöhnt uns noch mit einem köstlichen Lunch aus Reisvariationen, Yoghurtcremes, Currydips und „puri“, einem luftigen Gebäck. Erstaunlich, indisches Essen muss nicht immer „very spicy“ sein! Wir verabschieden uns von Mayur und seinen Eltern; unser nächstes Ziel liegt Richtung Bangalore.
 
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Der Hindu-Tempel Belur, eine berühmte Sehenswürdigkeit der Region


Auch diese Gegend beherbergt eine herausragende Sehenswürdigkeit: In Belur steht ein prächtiger Hindu-Tempel aus dem 12. Jahrhundert. Der König ließ den Tempel zu Ehren Vishnus mit einer einzigartigen Fülle von Figuren aus schwarzem Stein schmücken: Elefanten tragen den Sockel, anmutige Tänzerinnen schwingen die Hüfte, Hindu-Gottheiten zieren die Säulen…
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Hubert Leiwes diskutiert mit unserer Gastgeberin Hansini, wahrscheinlich über Kaffee


Aber unser Interesse gilt ja dem Kaffee, also machen wir uns in Begleitung unseres neuen Gastgebers auf den langen Weg zu seiner Farm nach Chikmagalur.
In diesem Distrikt liegt der Berg Baba Budan Giri, diesen Namen trug auch ein islamischer Sufi-Heiliger im 16. Jahrhundert. Der Legende nach soll er sieben Kaffeepflanzen auf der Rückfahrt von seiner Pilgerfahrt nach Mekka mitgebracht haben. Unerhört zu einer Zeit, als es unter strenger Strafe stand, keimfähige Bohnen aus dem Jemen zu schmuggeln. Damit begründete der mutige Baba Budan den Kaffeeanbau in Karnataka und dem Süden Indiens.
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Für die Besucher stehen sie Spalier, die jüngsten Bewohner auf der Plantage
In den grünen Hügeln liegt auch die Farm des Ehepaares Appadurai.
Ihr Wohnhaus auf dem höchsten Hügel und das ihres Managers etwas unterhalb erinnern im Stil und Mobiliar noch heute an die Kolonialherrschaft der Engländer. Als die das Land 1947 in die Unabhängigkeit entließen, hatten Inder die Möglichkeit, die Farmen zu erwerben. So wie der Großvater der heutigen Kaffeefarmer. Inzwischen beschäftigt ihre Company 500 Arbeiter auf den 2 000 Hektar großen Plantagen.
Morgens um 6.30 Uhr, die Sonne ist gerade aufgegangen und in den Senken liegt noch der Nebel, wird es munter in den kleinen Siedlungen, die sich die Hügel hinunter ziehen. Erst treten die Arbeiterinnen und dann die Arbeiter zum Zählappell an. Ihre kleinen Kinder verbringen den Tag in einer Betreuungseinrichtung; die Älteren, adrett in Schuluniform, warten auf den Schulbus. Bis zum 18. Lebensjahr bezahlt die Company ihr Schulgeld. Sollte jemand krank werden, kann ein Arzt in der kleinen Krankenstation leichte Fälle behandeln. Immer noch werden die meisten Babys hier geboren! Ein hierarchisches System, in dem aber auch für die Familien gesorgt wird, bis zur Rente mit 60 Jahren.
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Das stattliche Alter dieser Kaffeepflanze erkennt man an dem knorrigen Stamm: 60+



Auch auf dieser Farm setzt das Management auf Robusta, der sich als widerstandsfähiger gegen den Pilz Kaffeerost erwiesen hat. Und diese Pflanzen können richtig alt werden, was man ihnen auch ansieht: Knorrig verdreht und richtig dick der Stamm, sind sie 60 Jahre alt; die haben hier schon die Engländer erlebt!
Und weil wir auf dieser wohl geführten Farm zum Übernachten eingeladen werden, können wir uns über den prächtigen Sternenhimmel freuen und über die liegende Mondsichel wundern…
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Im Coffee-Lab mit Mrs. Menon, der Expertin für indischen Kaffee


Nachdem wir die praktischen Seiten des Kaffeeanbaus erkundet hatten, wird es wissenschaftlich: Einladung beim „Coffee Board of India“, das seit 1942 die kleinen Kaffeebauern schützt und unterstützt. Das Coffee-Lab in Bangalore ist eine unglaubliche Mischung aus Kaffeemuseum und Verkostungsraum, dem Arbeitsplatz der Präsidentin Mrs. Menon. Damit sind wir wieder am Anfang unserer Reisegeschichte angekommen, denn sie hatte ja in Berlin die Initialzündung zu unserer Reise gegeben.
 
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Typisch Robusta: Die roten Kirschen gruppieren sich in Kugeln.


Vierzehn Kaffees von den beiden Plantagen hat sie für uns ausgesucht und aufgebrüht. Ganz klassisch am Drehtisch mit drei kleinen Wasserbecken geht es an die Verkostung. Mit Schürze und Probierlöffel ausgestattet, schlürft, schmatzt und spuckt man, notiert seine Eindrücke und diskutiert die Geschmacksprofile. Bohnen, die unter so ähnlichen Bedingungen gewachsen sind, können so unterschiedlich schmecken!


Durchaus möglich, dass einige schöne Sorten den Weg in heimische Röstereien finden werden. Muster sind bestellt und unsere Gruppe hat sich schon zur gemeinsamen Verkostung verabredet.


Und daheim freuen wir uns schon auf deutschen Kaffee. Denn was abseits der Plantagen in Hotels und Lokalen ausgeschenkt wird, schmeckt einfach nicht: Inder lieben eben doch ihren Tee. Und wenn man den Kaffee nur recht dünn kocht, mit reichlich Milch und Zucker versetzt, dann schmeckt er eigentlich wie Chai-Tee….