Leiwes
Ein Teppich aus Kaffeepflanzen

EINE GANZ BESONDERE KAFFEEFAHRT

Heike und Hubert Leiwes bei der Kaffee-Ernte in Mexiko


Viel lässt sich über Kaffeepflanzen und Anbauländer in schlauen Büchern nachlesen – aber selbst einmal die jungen Pflänzchen anzufassen, den Erntearbeitern in die Körbe zu gucken, mit den Plantagenbesitzern über die Ernteaussichten zu sprechen: Das ist etwas ganz anderes!

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Kaffeesträucher brauchen Schattenbäume
Das dachten sich jedenfalls Heike und Hubert Leiwes und mussten deshalb auch nicht lange überlegen, ob sie die Einladung ihres Hamburger Kaffeeimporteurs nach Zentralamerika annehmen sollten: Auf zur Kaffeefahrt nach Mexiko!

Was für ein Kontrast, aus dem westfälischen Schneeregen in den sommerlichen warmen Süden Mexikos zu kommen. Hier in Chiapas, an der Grenze zu Guatemala, wachsen im Hochland die Arabicasorten, die berühmt sind für ihr leicht herbes und ausgewogenes Aroma.

Was für ein Glück für uns, dass wir unser Quartier auf einer der größten - und schönsten Plantagen der Region beziehen konnten, der Finca Hamburgo. Während der Anfahrt die steilen Berge hoch - immerhin mussten wir auf 1250 Meter, waren wir uns nicht so sicher, ob sich der Aufwand lohnen würde.
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Rauch steigt aus den Hütten auf
Der Weg war schmal und kurvig und ständig blickten die Fahrgäste sorgenvoll in tiefe Abgründe. Aber wir wurden belohnt: Nach zwei Stunden sehen wir die Finca auf einem Plateau liegen, an das sich von allen Seiten die Hänge mit den Kaffeepflanzen  schmiegen. Wie im Lehrbuch sind die Sträucher in Reihen gepflanzt, dunkelgrün und glänzend die Blätter, darüber die großen Schattenbäume. Und in diesem satten Grün leuchten immer wieder Blüten auf in kräftigen Gelb-, Orange- und Rottönen, phantastisch.

Begrüßt werden wir von Thomas Edelmann, dem Besitzer dieser Finca. Deutsche Namen und Sprachfertigkeit sind hier häufig anzutreffen: Wie viele andere „Finceros“ der Region, hat Thomas deutsche Vorfahren. Vor über 100 Jahren hatte die mexikanische Regierung Deutsche eingeladen, hier im Hochland Kaffee anzubauen und Arbeitsplätze zu schaffen. So kamen die Edelmanns ebenso wie ihre Nachbarn hierher und blieben über Generationen.
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Kaffeekirschen pflücken ist harte Arbeit
„Hamburgo“ liegt wie ein kleines Dorf in den Bergen. Morgens steigt der Rauch von Kochstellen in den Häusern der Arbeiter auf. 120 Familien haben hier ihr Zuhause. Sie leben in einfachen Langhäusern, in denen jede Familie zwei Räume für sich hat. Eine Hauszeile wird gerade renoviert: Die Arbeiter tauschen den gestampften rötlichen Erdboden gegen Beton aus.

In der Früh machen sich die Kinder akkurat in Schuluniform auf den Weg zum Unterricht in der Finca, während die Erwachsenen in der Plantage reichlich zu tun haben. Jetzt, in der Trockenperiode, läuft immer noch die Ernte, die sich von Oktober bis März erstreckt. Weil nicht alle Früchte des Kaffeestrauchs gleichzeitig reifen, dürfen die Arbeiter nur die dunkelroten Kirschen in ihre Körbe pflücken. Grünliche Kirschen und die Ansätze der jasminartigen Blüten bleiben an den Rispen. Hochwertiger Kaffee kann deshalb nur per Hand geerntet werden.  

  Am späten Nachmittag treffen sich alle Pflücker an der Wiegestation. Sie packen sich jeden schweren Sack auf eine Schulter und leeren ihn in die Waage. So erhalten sie eine Gutschrift über ihre Pflückleistung. Ein Arbeiter erntet am Tag 50 bis 100 Kilo frische Kirschen. 

Jetzt müssen die Früchte schnell verarbeitet werden, denn lagerfähig sind sie nicht. In jeder Kirsche stecken zwei Kaffeebohnen, die zugleich die Samen sind. Um die zu erhalten, muss die gesamte Umhüllung entfernt werden und das passiert in mehreren Arbeitsschritten: Thomas Edelmann zeigt uns die nasse Aufbereitung. Dazu werden die Kirschen in Schwemmkanälen vorsortiert. Eine Maschine, genannt Pulper, quetscht das Fruchtfleisch ab. Jetzt bleiben die Kerne übrig, die aber noch von einer Schleimschicht umhüllt sind. Die wird in einem Fermentationsbecken gelöst, in dem die Bohnen bis zu 36 Stunden gären.
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Jede Finca hat ein eigenes Motiv
Anschließend werden die Bohnen getrocknet, 12 Prozent Feuchtigkeit sind ideal. Die erreicht der Kaffeebauer in Trockenöfen oder er breitet sie auf Trockenplätzen aus. Immer noch nicht fertig, denn die Bohnen müssen noch durch eine Mühle, wo die Pergamentumhüllung entfernt wird. Erst jetzt werden die gräulich-grünen Bohnen sortiert; mechanisch, elektronisch und zum Schluss per Hand an einem Förderband.

Denn grüne unreife Bohnen verderben ebenso das Aroma wie die „Stinkerbohnen“, die bereits zu gären begonnen haben. Abfüllen in die Jutesäcke, die natürlich das Wappen der Finca Hamburgo schmückt. Fertig zum Export!  

  Aber nicht nur die Ernte ist zeit- und arbeitsaufwändig: Die Bäume müssen ständig beschnitten werden, damit sie nicht höher als 1 bis 2 Meter wachsen. Außerdem werden sie gedüngt und vor Schädlingen und Krankheiten geschützt. Unkraut jäten gehört auch dazu – in dem steilen Gelände ein harter Job. Diese intensive Pflege belohnt der Baum mit ein bis zwei Pfund Rohkaffee pro Jahr. Nach 20 Jahren gehen die Erträge zurück und jüngere Pflanzen nehmen den Platz ein.

Der Nachwuchs gedeiht in Pflanzenschulbeeten. Keimfähige Bohnen kommen in Komposterde, gewonnen aus dem Fruchtfleisch der Kirschen. Nach fünf Wochen sprießt das erste Blattpaar, nach acht Monaten kann das Pflänzchen in die Plantage ausgesetzt werden. Fünf Jahre weiter, und der Strauch bringt optimale Ernteerträge. Natürlich nur, wenn die hohen Ansprüche der Kaffeepflanze erfüllt sind: Temperaturen zwischen 18 und 25 Grad, genug Regen zur richtigen Zeit, der Boden locker und nährstoffreich und auf keinen Fall Frost! Die „Coffea Arabica“ ist halt eine Mimose unter den Pflanzen! 

 
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Erntereife Kirschen
  Die letzte Station unserer Besichtigung führt uns zur Qualitätskontrolle. Auf einem runden Tisch sind Schälchen mit Rohkaffee und gerösteten Bohnen aufgestellt, dazu Tassen mit gemahlenem Kaffee. „Cupping“ nennt sich das, was Thomas Edelmann und seine Gäste gleich tun - und dabei dürfen sie ihre guten Manieren getrost vergessen. Denn der frisch aufgebrühte Kaffee wird laut schlürfend eingesaugt, im Mund hin- und hergespült und ausgespuckt. Und nach der Verkostung tauscht man sich aus: erdig oder rauchig, fruchtig oder sauer, wie war nun das Geschmackserlebnis?

Wie schön, dass sich die Reisegruppe nach dem stundenlangen Rundgang durch die Plantage im Restaurant erholen kann. Mit dem Blick in die Berge genießen wir, wer hat es erraten: eine schöne Tasse Kaffee. Tequila, das Nationalgetränk der Mexikaner, gibt es natürlich erst nach Essen …
 
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Hier gedeiht der Nachwuchs